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Klaus Merz

Campo S. Giacomo dell'Orio

Kurz nach 17 Uhr
versammeln sich die Kinder
des Quartiers auf dem Platz. Die Luft
ist von wilden Schreien erfüllt. Bälle schlagen
gegen die Kirchenwand. Lauter kleine Rad-
fahrer in halsbrecherischer Balance sind
zwischen Brunnstock, Müttergrüppchen, jungen
Vätern und den Fussballspielern unterwegs.
Ein Rehpinscher mit Maulkorb verfolgt gellend
jedes Bein, das sich bewegt, man möchte
das Biest am liebsten zertreten, wäre
die langsam herabfallende Dämmerung nicht
so blau und mild. Das Eis in den Aperitivgläsern
schmilzt. Durch den Zambelli-Durchgang tritt
ein Paar, das im Rücken als Schatten
sein warmes Bett mit sich trägt, drei Filzhüte
schieben die Krempen zusammen, die kraus-
haarige Frau zieht überm flammenden Dekolleté
den Kragen eng, schmiegt sich noch tiefer ins feuchte
Glänzen der Lederjacke ihres Liebsten. Sie gehen
gemeinsam nach Brot und Wein
quer über die Lichtung und tauchen
wieder in ihren Halbschatten zurück. 18 Uhr,
der Abend wird eingeläutet, mein Platz leert sich
rasch. Auch die bleiche Mama lüpft ihren Zorro
vom Zisternendeckel und trägt den Knaben
auf ihren Armen heim. - (Es ist diese Stunde,
die uns, wieder nördlich der Alpen,
fehlen wird.)



Venedig, Oktober 2002 - März 2003